Das RKW - seit 1921 an der Seite des deutschen Mittelstands
Vom Fließband bis zur Digitalisierung - seit einem Jahrhundert fördert das RKW Produktivität und Wirtschaftlichkeit vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen. Die Organisation und die Rahmenbedingungen haben sich geändert, viele Themen wie die technische Innovation sind geblieben. Neue Entwicklungen griff das RKW auf, wie seit den 1930er Jahren das Thema Mensch und Arbeit. In jüngster Zeit kamen Gründerinnen und Gründer sowie ihre Unterstützer als neue Zielgruppen hinzu.
Hier erfahren Sie alles über die wichtigsten Epochen des RKW, von der Gründung 1921 bis heute. Alle Daten wurden vom RKW Kompetenzzentrum übernommen. Gerne können Sie sich zu unserer Geschichte auch direkt unter www.100-jahre-rkw.de informieren.
Gründung und Anfangsjahre
1920er Jahre
"Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit in Industrie und Handwerk": So lautete der vollständige Name der neuen Stelle. Initiatoren waren der VDI, die Vereinigung technisch-wissenschaftlicher Vereine und das Reichswirtschaftsministerium. Den Vorsitz übernahm Carl-Friedrich von Siemens.
Der Reichswirtschaftsminister wies alle obersten Reichsbehörden an, das RKW "in geeigneter Weise und nachhaltig zu fördern". Seine Aufgabe sei es "alle auf die technischen Zusammenhänge der Produktion sich beziehende Rationalisierungsarbeiten, soweit sie sich auf die Betriebe beziehen, [zu] erfassen, zusammen[zu]leiten und in die Bahnen unmittelbarer Wirksamkeit [zu] lenken." (Schreiben des Reichswirtschaftsministers vom 22.10.1921)
Das RKW war also so etwas wie ein "Dachverband" für eine Reihe sogenannter Rationalisierungsträger, beispielsweise den Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung AWF. Ab 1926 erhielt das RKW Mittel aus dem Reichsetat, die es zu einem großen Teil an diese etwa 30 Ausschüsse und Körperschaften weitergab und deren Arbeitsergebnisse es veröffentlichte.
1932 gab es bereits 150 Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften, in denen etwa 4.000 Ehrenamtliche arbeiteten. Die „Gemeinschaftsarbeit“ führte alle am Gegenstand Interessierten ehrenamtlich zusammen und sie entwickelten gemeinsam Lösungen. Sie kam in den 1920er Jahren zu einer ersten Blüte und ist bis heute üblich in Organisationen wie dem DIN oder der AWV, die damals ebenfalls unter dem Dach des RKW agierte.
Dem Kuratorium gehörten knapp 200 Personen an, das „Who is who“ der Industrie in der Weimarer Republik, neben den Geheimen Kommerzienräten, Generaldirektoren und Fabrikbesitzern auch Wissenschaftler, Vertreter von Verbänden und Ministerien. 1926 gehörten sieben Gewerkschaftler dazu und eine einzige Frau: Charlotte Mühsam-Werter von der Zentrale der deutschen Hausfrauenvereine von Groß-Berlin. Ja, auch Hauswirtschaft lässt sich rationalisieren, bis in die 1960er Jahre gab es dazu Empfehlungen vom RKW.
Die Idee und ihre Wirkung
Die Wurzeln der Rationalisierungsbewegung sind viel älter als das RKW: Normierung, Standardisierung, Typisierung gibt es, seit Menschen wirtschaftlich tätig sind. Fließbänder führten die Schlachthöfe in Chicago schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Das für die Rationalisierungsbewegung wichtige Buch „Wissenschaftliche Betriebsführung“ von Frederik Winslow Taylor erschien 1911. Zusammen mit der maschinellen Produktion und dem Fabriksystem waren die Voraussetzungen für Massenproduktion gegeben, auf die die Rationalisierungsbewegung vor allem abzielte. Neu war die Vehemenz, mit der das Prinzip der möglichst effizienten Produktion seit dem Ende des Ersten Weltkriegs propagiert wurde.
Fordismus
Für das RKW war der Fordismus die wesentliche Quelle: Henry Ford hatte Taylors Ideen studiert, installierte Fließbänder in seiner Fabrik und hat mit seinem einzigen Produkt, dem Kleinwagen "Thin Lizzy", den es nur in schwarz gab, das Prinzip Standardisierung auf die Spitze getrieben. Fords Autobiografie, 1922 erschienen, galt manchem als „Evangelium der Hochmoderne“ (R. Hachmann, 1996). Zu Fords Autofabriken pilgerten die deutschen Rationalisierer nach dem Ersten Weltkrieg, 1925 auch Carl Köttgen, Generalbevollmächtigter und Freund des RKW-Vorsitzenden C.F. von Siemens. Sein Bericht über die Reise „Das wirtschaftliche Amerika“ ist so etwas wie das „Manifest des RKW“. Aber die sozial- und gesellschaftspolitischen Implikationen, beispielsweise hohe Löhne, die Ford zahlte, damit seine Arbeiter sich seine Autos leisten konnten, fanden bei deutschen Unternehmern keinen Widerhall. Dabei war dies Voraussetzung für die volkswirtschaftliche Wirkung der Rationalisierung, die das RKW wollte:
„Steigerung des Volkswohlstands durch Verbilligung, Vermehrung und Verbesserung der Güter,“
so Geschäftsführer Hans Hinnenthal 1927. In Deutschland blieben die Reallöhne niedrig und die Arbeitslosigkeit relativ hoch, auch in den "guten" Jahren der Weimarer Republik.
Haupttätigkeit des RKW war das Veröffentlichen der Ergebnisse aus den Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften, zum Beispiel in der Monatsschrift RKW-Nachrichten, über die Schriftenreihe RKW-Veröffentlichungen und das Handbuch der Rationalisierung (HdR), das von 1928 bis in die 1970er Jahre immer wieder neu aufgelegt wurde. Aber die Wirkung blieb bescheiden: Fließarbeit führten nur wenige Unternehmen ein, bis 1930 gab es schätzungsweise 80.000 Fließ- und Bandarbeitsplätze, etwa für ein halbes Prozent der Beschäftigten in Gewerbebetrieben (J. Bönig, 1993).
Wirtschaftliche Verwaltung
Aus der Erkenntnis heraus, dass für eine "echte" Rationalisierung nicht nur die Produktion, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche die Prinzipien der Rationalisierung anwenden müssten, entstand 1926 die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung AWV. Eines ihrer wichtigsten Themen war anfangs die Einheitsbuchführung, die auf dem Kontenrahmen aufsetzte, den Professor Eugen Schmalenbach für den AWV-Ausschuss Rechnungswesen entwickelt hatte. Die betriebswirtschaftliche Rationalisierung spielte ab den 1930er Jahren eine große Rolle und ganz besonders nach der Wiedergründung in den 50er Jahren.
Der Mensch und die Rationalisierung
In der Definition des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit fehlt das Wort Mensch. Vermutlich ist es vergessen worden, weil es keine so wichtige Rolle mehr spielt. … Berufsfreude zu pflegen ist unter diesen Umständen schwer."
schrieb der Journalist Siegfried Kracauer 1930 in seinem Essay „Die Angestellten“. Und der neue RKW-Geschäftsführer Otto Schaefer gab selbstkritisch zu, „daß man im RKW zu sehr für die Arbeitgeber und zu wenig für die Arbeitnehmer rationalisiert habe.“
1931 war die RKW-Tagung „Der Mensch und die Rationalisierung“ Auftakt für die Arbeiten zum Thema Mensch. Das Verständnis von Mitarbeitenden blieb jedoch sehr funktional: Es ging um die „Bestenauswahl“ bei der Ausbildung und Stellenbesetzung. Gesucht wurden Arbeiter, die sich optimal in das Räderwerk der Fabrik einpassen ließen. Es war klar, dass der Mensch der Rationalisierung zu dienen habe. Der Schwerpunkt „Bestgestaltung der Arbeit“ widmete sich einerseits dem Gesundheits- und Arbeitsschutz, dessen wirtschaftliche Bedeutung verstanden wurde. Es galt aber auch, mit „Psychotechnik“ Störfaktoren für eine optimale Leistungserbringung auszuschalten. Aufgabe einer „vernünftigen psychologischen Rationalisierung ist also nicht Kräftesparen und Arbeitslosenunterstützung, sondern die richtige, den Kräften angemessene Arbeit zu schaffen und die Arbeit richtig [zu] gestalten.“ (RKW, 1931)
Aus den Anfängen entwickelte sich ein sehr breites Arbeitsgebiet „Mensch und Arbeit“, das das RKW mangels geeigneter „Rationalisierungsträger“ weitgehend selber bearbeitete. Bis heute begleitet der Beirat „Mensch und Arbeit“ die RKW-Arbeiten.
Rationalisierung unterm Hakenkreuz
1934-1945
Das RKW hat sich im Dritten Reich von den Nazis instrumentalisieren lassen und seinen Charakter als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft verloren. Mitte der 1990er Jahre hat es seine Geschichte von einem Historiker aufarbeiten lassen, der in seinen Aufsatz auch klar formuliert, dass sich das RKW nach dem Krieg neu positionierte und zu seiner Ursprungsidee der Unterstützung der Unternehmen zurück kehrte.
„Schon aufgrund seiner Stellung zwischen Staat und Wirtschaft war das RKW für die nationalsozialistische Umgestaltung der Privatwirtschaft von Interesse“, schrieb Manfred Pohl 1996 in seinem Aufsatz zur RKW-Geschichte. Es bewegte sich auf einem schmalen Grat: Einerseits war es ein eigenständiger Verein, andererseits erhielt es erhebliche Gelder vom Staat, über deren Verwendung das Reichswirtschaftsministerium mitbestimmte. Mit dieser engen Anbindung an den Staat erschien es für die nationalsozialistischen Machthaber als ein „geeignetes Instrument, um die Wirtschaft stärker unter Kontrolle zu bekommen“ (M. Pohl). Das RKW leistete dagegen keinen Widerstand, sondern erwies sich als „williger Vollstrecker“ (D. Goldhagen) der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik.
Gleichschaltung und Führerprinzip
1934 bestimmte das Reichswirtschaftsministerium den Ingenieur Georg Seebauer zum Leiter des RKW. Er blieb weiterhin auch Leiter des Amtes für Technik bei der Reichsleitung der NSDAP. 1938 erließ das Reichswirtschaftsministerium (RWM) eine neue Satzung, nach der der Leiter des RKW gegenüber dem RWM verantwortlich war. Bisher selbständige Ausschüsse und Gruppen wurden dem RKW unterstellt, Seebauer wurde auch ihr Leiter .
1943 wurde Seebauer zum Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion abkommandiert und übernahm im Januar 1944 die Leitung des Produktionsamts für Verbrauchsgüter im Speer-Ministerium (RKW-Nachrichten Jan. 1944). Das RKW wurde damit faktisch in das Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion übernommen (G. Aly, 1993). Diese Konstellation belegt, wie stark das RKW in die Kriegswirtschaft des NS-Regimes eingespannt wurde.
Leistungssteigerung für die Kriegswirtschaft
1939 wurde ein „Reichsauschuss für Leistungssteigerung“ gegründet, nachdem Hermann Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan die Lenkung der Leistungssteigerung der Wirtschaft und jeder Arbeitskraft dem Reichwirtschaftsministerium übertragen hatte, das seinerseits diese Aufgabe an das RKW und seinen Leiter delegierte. Die Durchsetzung von Normen und Typisierung gewann angesichts der Kriegsvorbereitungen noch größeres Gewicht. Die Vermeidung von „Verlustquellen“ durch Energieeinsparung und effiziente Nutzung der knappen Rohstoffe, Arbeits- und Zeitstudien, das „Verpackungswesen“ und die „Mitwirkung der Gefolgschaft“ waren die wesentlichen Punkte im „Sofortprogramm zur Leistungssteigerung“, das der RKW-Leiter 1940 verkündete.
Besonders großes Gewicht legte der Vierjahresplan auf einheitliche Grundsätze im Rechnungswesen. Der von Professor Eugen Schmalenbach entwickelte Kontenrahmen wurde 1937 per Erlass verpflichtend, für einzelne Branchen und Bereiche wurden eigene Buchhaltungsrichtlinien und Kontenrahmen vom RKW entwickelt und veröffentlicht. 1937 wurde der Reichsausschuss für Betriebswirtschaft beim RKW gegründet, der den Erlass vorbereitete und das vereinheitlichte Rechnungswesen propagieren sollte. Als Bundesausschuss für Betriebswirtschaft etablierte er sich 1953 neu und existiert bis heute als Beirat Unternehmensführung und Innovation.
Entjudung der Wirtschaft und „Wirtschaftlichkeit des Warschauer Ghettos“
Strukturuntersuchungen und Betriebsvergleiche hatte das RKW schon in den 1920er Jahre gemacht, jetzt wurden sie in den Dienst der Nazis gestellt: 1938 im Saarland und 1939 in der „Ostmark“ (Österreich) untersuchte das RKW Wirtschaftsstruktur und Branchen mit dem Ziel, jüdische Geschäfte zu schließen. Dafür taxierte das RKW sehr gründlich ihre Rentabilität (S. Friedländer, 2007). Der Leiter des RKW, Seebauer, rechtfertigte die Schließung kleiner Unternehmen in den RKW-Nachrichten 1939 damit, dass es ihnen an Unternehmereigenschaften mangele und so die Großbetriebe die dringend benötigten Arbeitskräfte bekämen.
In den besetzten Gebieten unterhielt das RKW Zweigstellen, auch in Krakau im Generalgouvernement. 1940 und 1941 erstellte das RKW in Krakau Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das Warschauer Ghetto. Das RKW analysierte nüchtern, dass die Ausschaltung der Juden aus der Wirtschaft den nicht-jüdischen Unternehmen Vorteile brächte, aber der „jüdische Wohnbezirk (j.W.)“ nicht wirtschaftlich zu erhalten sei, da die Bewohner weder Miete noch Steuern zahlen könnten. Für Lebensmittel sei sogar ein jährlicher Zuschuss von 55 Millionen Reichsmark erforderlich, „wenn man die Insassen des j. W. am Leben erhalten will“. (RKW 1941: Die Wirtschaftsbilanz des jüdischen Wohnbezirks in Warschau , zitiert bei G.Aly/S.Heim, 1993).
Neuanfang und Produktivitätszentrale
1950-1970
Direkt nach Ende des Krieges ergriffen Ehemalige in Berlin, Minden, Wiesbaden und München Initiativen zu Wiederbelebung des RKW, die 1950 im Beschluss mündeten, die vereinigten Initiativen in „Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft
e. V. (RKW)“ umzubenennen. Den Vorsitz übernahm, wie vor dem Krieg, wieder der Vorstandsvorsitzende von Siemens, jetzt Dr. Adolf Lohse. Gegenüber dem Vorkriegs-RKW gab es zwei wesentliche Unterschiede:
- Erstens zählten die Gewerkschaften jetzt offiziell zu den Trägern des RKW, neben Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Bis heute ist das RKW die sozialpartnerschaftliche Plattform für Fragen von Produktivität und Wirtschaftlichkeit.
- Zweitens wurden Bezirksgruppen in München, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Hannover und Berlin eingerichtet, die in ihrem Wirtschaftsgebiet die Kristallisationspunkte der Rationalisierungsbewegung sein sollten. Damit war die Basis geschaffen für das heutige Netzwerk RKW.
Produktivitätszentrale: Schwerpunkt für ein Jahrzehnt
Die finanzielle Hilfe des amerikanischen Marshallplans von 1947 wurde in allen beteiligten Ländern flankiert vom Programm US Technical Assistance and Productivity Program, das Produktivitätszentralen umsetzen sollten. In der Bundesrepublik erhielt das RKW im Juli 1950 von der Bundesregierung diesen Auftrag. Die Aufgabe Produktivitätszentrale dominierte das erste Jahrzehnt: Sie verbreitete Informationen über Broschüren und die Monatsschrift „Rationalisierung“. Sie förderte Normung und Typisierung. Sie leitete Bitten um technische Auskünfte weiter in die USA, wenn sie hierzulande nicht beantwortet werden konnten.
Der RKW-Filmdienst, der Lehrfilme zu rationellen Produktionsmethoden in Unternehmen zeigte, hatte jährlich bis zu zwei Millionen Zuschauer. 1.386 Expertinnen und Experten reisten zwischen 1950 und 1957 für bis zu zehn Monate in die USA, um dort moderne Produktionstechnik und Führungsmethoden kennen zu lernen. 90 Berichte von 236 Reisen veröffentlichte das RKW in seinem Auslandsdienst, der „Blauen Reihe“. Ausstellungen wie die „Wirtschaftswunder-Ausstellung“ 1953 in Düsseldorf hatten über eine Million Besucher.
In den Bezirksgruppen wurde der Erfahrungsaustausch koordiniert, 1954 bestanden knapp 200 Gruppen in Westdeutschland, an denen rund 3.500 Unternehmen beteiligt waren. Bis heute gehört der Erfahrungsaustausch in Form von Arbeitsgemeinschaften zum Angebot der RKW-Landesorganisationen.
Die Organization for European Economic Cooperation (OEEC) in Paris war die Organisation, die die nationalen Programme zum Wiederaufbau mit Marshallplanmitteln koordinierte, 1961 wurde daraus die weltweite Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
Technik und Technikfolgen
Nachdem die Produktivitäts-Zuschussprogramme in den 1960er Jahre ausliefen, rückten Fragen der technischen und betriebswirtschaftlichen Rationalisierung wieder in den Vordergrund. Der zunehmende Arbeitskräftemangel beschleunigte die Automatisierung in der Produktion, damit stieg die Kapitalbindung, die wiederum verlangte, die Planung zu optimieren. Schwerpunktthema des RKW 1960 war „Planung als Instrument der Unternehmensführung“.
Intensiv wurde berichtet über elektronische Büromaschinen und „Elektronengehirne“, die man aber für mittelständische Unternehmen als zu teuer ansah. Darum wurde empfohlen, gemeinsame Rechenzentren mit mehreren Betrieben einzurichten. Erstmals wurde der Fokus auch programmatisch auf die Klein- und Mittelbetriebe gesetzt, die besonders unterstützt werden sollten. 1964 wurde der Arbeitskreis Klein- und Mittelbetriebe (AKM) gegründet, der bis in die 1990er Jahre aktiv war.
Der Blick ging über die Technik hinaus: „Soziale und wirtschaftliche Aspekte des technologischen Wandels in der Bundesrepublik Deutschland“ standen im Fokus eines (intern als A 33 bezeichneten) Projekts in den Jahren 1963 bis 1967. Die sieben Ergebnisbände der beteiligten Forschungsinstitute legten Grundlagen für die Diskussionen und Projekte des Programms „Humanisierung der Arbeit“ des damaligen Bundesforschungsministeriums (BMFT) und des Bundesarbeitsministeriums (BMA). Der Themenkomplex hat die Arbeits- und Sozialpolitik und auch das RKW seitdem nicht mehr losgelassen: Mensch und Arbeit wurde zum zentralen Arbeitsgebiet - heute im Fachbereich Fachkräftesicherung, in dem die Sozialpartnerschaft des RKW eine zentrale Rolle einnahm und einnimmt.
Neue Sichtweisen und Globalisierung
1970er Jahre
1971 wurde das RKW 50 Jahre alt. Das Jubiläum wurde in der Bundeshauptstadt Bonn in Anwesenheit des Bundespräsidenten Gustav Heinemann gefeiert. Mit viel Elan, neuer Organisation und neuen Themen startete das RKW in die nächsten 50 Jahre.
Neue Satzung und neue Struktur
Zum 50. Geburtstag 1971 gab sich das RKW eine neue Satzung und straffte die Organisation. Laut Satzung sollte das RKW Sammelstelle für Rationalisierungswissen sein und Themen nur in Ausnahmefällen selbst bearbeiten. Das beachtliche Haushaltsvolumen von über 20 Millionen DM (aus Zuschüssen des Bundes, der Länder, aus Mitgliedsbeiträgen und Erlösen aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen) ging zu großen Teilen an die sogenannten Rationalisierungsträger, die die Projekte bearbeiteten – und natürlich im RKW mitreden wollten. So war z. B. der Vorstand auf 75 Personen angewachsen. Die neue Satzung begrenzte ihn auf 18 Personen und schuf ergänzend ein Kuratorium, dem der Vereinsvorsitzende vorstand.
Statt vier hatte die Zentrale jetzt nur noch zwei Geschäftsführer, die Rationalisierungs-Gemeinschaften Bauwesen und Verpackung wurden eingegliedert und verloren ihre eigenen Geschäftsführer. Diese beiden RG und die Fachabteilungen Arbeits- und Sozialwirtschaft, Betriebswirtschaft und Technik hatten jeweils Fachbeiräte, die auch erstmals in der Satzung verankert wurden. Die Mitgliederbetreuung und der gesamte Beratungsdienst gingen in die Verantwortung der Landesgruppen über. So wurden über 30 Vollzeitstellen eingespart, etwa 275 Personen beschäftigte das RKW bundesweit, die seit einigen Jahren nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt wurden.
Die Bindung an das Bundeswirtschaftsministerium wurde enger: Seit Ende der 60er Jahre gab es dreijährige Arbeitsprogramme, die mit dem Ministerium verabredet wurden. Es wurden mehr Umsetzungsprojekte durchgeführt, beispielsweise eine Technologievermittlung- und Innovationsberatung. Ab 1975 wurden Meldungen aus den BMWi-Tagesnachrichten in die Zeitschrift übernommen.
Von der Ölkrise zur Nachhaltigkeit
Als die OPEC-Staaten im Oktober 1973 aus politischen Gründen die Erdölförderung um fünf Prozent drosselten und Lieferungen einstellten, stiegen die Preise pro Barrel Rohöl von drei auf bis zu 12 Dollar. Den Industrieländern wurde schlagartig ihre Abhängigkeit vom Rohstoff Erdöl bewusst, eine schwere Wirtschaftskrise war die Folge.
Die Krise kam just in der Zeit, als die Studie „Die Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome 1972 veröffentlicht hatte, in den Bestsellerlisten weit oben stand. Die Wissenschaftler am MIT erwarteten bis 2050 Nahrungsmittelknappheit, Erschöpfung der Rohstoffreserven und wachsende Umweltzerstörung, wenn das Wirtschaftswachstum so weitergehe. In der Bundesrepublik Deutschland setzte ein Bewusstseinswandel ein, der sich auch in der RKW-Arbeit niederschlug: Rationelle Energienutzung, rationeller Materialeinsatz und Umweltschutz stehen seitdem auf der Agenda des RKW. Unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ bearbeiten die RKW-Gliederungen diese Themen auch in Zukunft.
Rationalisierung unter neuen Vorzeichen
Der neu gewählte RKW-Vorsitzende Erich Potthoff schrieb im Januar 1974:
Rationalisierung wird immer aktueller … wenn der Wettbewerb härter wird. … Modelle, Lösungen und Beispiele der Rationalisierung können gerade in dieser Situation unserer wirtschaftlichen Entwicklung dazu beitragen, praktische und realisierbare Ansätze zur Kostensenkung und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu verdeutlichen.
Die Begründung Kostensenkung war neu, denn in den zwei Jahrzehnten zuvor war das Credo, Unternehmen müssten automatisieren, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. 1965 hatte die Arbeitslosenquote 0,7 Prozent betragen, 1974 stieg sie auf 2,6 Prozent (destatis, früheres Bundesgebiet). Unternehmens- und Personalplanung, Kennzahlen und Controlling wurden wichtige Themen.
Kybernetik - eine neue Managementlehre?
Kybernetik als Wissenschaft von der Regelung und Informationsverarbeitung im Lebewesen und in der Maschine geht zurück auf Norbert Wiener. Er versprach, dass Kybernetik eine neue Einheitswissenschaft begründe, die Mensch, Wissenschaft und Gesellschaft für die Anforderungen des anbrechenden Computerzeitalters präparieren sollte. Das regte vielfältige Phantasien an (übrigens auch in der UdSSR und der DDR) und ebenso beim RKW, das seit Jahren Unternehmensplanung zu einem zentralen Thema gemacht hatte. Die Idee dahinter war einleuchtend: Wenn die „Kunst der Steuerung“ in der Technik und in sozialen Systemen mittels Rückkopplungen bzw. Kommunikation und Beobachtung komplexe Systeme steuern kann (bis hin zu Apollo-Raumflügen, so Max Syrbe in der Rationalisierung 3/1970:62), dann müsste das doch auf das komplexe System Unternehmen ebenfalls anwendbar sein.
1968 regte das RKW die Gründung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. an, um beispielsweise die Anwendungsmöglichkeiten in der Wirtschaftspraxis zu untersuchen. Dummerweise lässt sich aber nicht jedes unternehmerische Problem in einem mathematischen Modell darstellen. War die Zeitschrift „Rationalisierung“ Anfang der 70er Jahre voll von Beiträgen zum Thema, so ebbte der Hype schnell wieder ab. Was blieb, war die Erkenntnis von Unsicherheit in wirtschaftlichen Systemen, die flexibles Reagieren erfordern - auch ohne mathematische Modelle. Heute, in einer Welt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität gewinnt das Denken in Systemzusammenhängen neue Aktualität. Der 1968 gegründete Verein ist zumindest bis heute aktiv.
Intensivierung der Auslandskontakte
Die internationale Managementorganisation CIOS (Comité international de l'organisation scientifique) hatte das RKW 1926 mitgegründet, stellte viele Jahre den Präsidenten und richtete 1972 in München den Welt-Management-Kongress aus. Informelle Treffen auch zwischen Ost und West, bildeten die Board Room Meetings, zu denen mehrmals jährlich die meist hochrangigen Vertreter der internationalen Mitgliedsunternehmen zusammenkamen. Mit dem Zusammenwachsen Europas gab es andere Gelegenheiten zum Austausch, ging das produktive Miteinander verloren, und 2015 hat das RKW seine Mitarbeit beendet.
Dem Netzwerken und Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene diente die European Association of Productivity Centers EANPC, die Mitte der 1970er Jahre 17 Mitglieder hatte, darunter die Türkei und die osteuropäischen Länder Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien. Zeitweise stellt das RKW den Voristzenden und war das Sekretariat beim RKW angesiedelt. Enge Kontakte pflegte das RKW beispielsweise mit der polnischen Organisation TNOIK, die Führungskräfte weiterbildete.
Asien rückte stärker in den Blick: Mit verschiedenen japanischen Organisationen fanden regelmäßig Austausch und gegenseitige Besuche statt. Im Auftrag der Regierung vermittelte das RKW Management-Know-how über Trainingsprogramme in aufstrebenden Ländern wie Malaysia und Indien.
Rationalisieren bei begrenztem Wachstum
1980er Jahre
Die 1980er Jahre begannen mit den Auswirkungen der zweiten Ölkrise und waren von einer gleichbleibend hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik geprägt, obwohl die Konjunktur Mitte des Jahrzehnts wieder anzog. Das RKW hatte den für 1993 geplanten gemeinsamen Binnenmarkt der EG im Blick und unterstützte Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte. Der Fall der Mauer im November 1989 setzte einen Schlussakkord, der das folgende Jahrzehnt der RKW-Arbeit prägte.
Neue Märkte
Spätestens nach der zweiten Ölpreiskrise 1979 war die wirtschaftliche Welt nicht mehr so klar strukturiert wie in den Nachkriegsjahrzehnten. Da die Binnennachfrage stagnierte, sorgte allein der Außenhandel für gute Ergebnisse, mit West- und Osteuropa sowie weltweit. „Der deutsche Mittelstand drängt nach außen“ titelte das RKW einen Bericht zu seinen Aktivitäten zur Außenwirtschaft wie Veranstaltungen und Seminare zur Markterschließung und Exportsteigerung.
Nachdem sich China seit Beginn der 80er Jahre für die Marktwirtschaft öffnete, entwickelte sich die Volksrepublik zum Hoffnungsträger westdeutscher Hersteller. Die in den 50er Jahren so erfolgreichen Studienreisen wurden wieder aufgegriffen, sie führten jetzt nach Korea, Japan oder in die Volksrepublik China.
Kostenkontrolle
Allerdings zeigte sich rasch, dass China und andere asiatische Länder nicht nur Absatzmärkte sondern auch Wettbewerber waren, die oft preiswerter anboten. Damit rückten die Kosten auf der Agenda weit nach oben. Gleichzeitig gewann eine eher angebotsorientierte Wirtschaftspolitik an Gewicht, wenn auch in der Bundesrepublik nicht so deutlich wie in Margret Thatchers Vereinigtem Königreich oder in den USA. Das RKW stellte unter seiner neuen Geschäftsführung Herbert Müller und Hubert Borns betriebswirtschaftlich Themen wie die Kostenkontrolle in den Fokus.
Die RKW-Führungsmappe, die anders als der Titel vermuten ließe, vor allem ein Kennzahlensystem für die Unternehmenssteuerung lieferte, erhielt bei der Neuauflage 1983 einen zweiten Band mit einem System zur „Management-Erfolgsrechnung“, übrigens ab Mitte der 80er Jahren auch auf Diskette zum direkten Bearbeiten am PC. Gleichzeitig entwickelte das RKW einen zweisemestrigen Lehrgang „Controller (RKW)“.
Zusammen mit den Landesverbänden wurde ein Baukasten von Seminaren oder innerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen unter dem Titel „Zielorientierte Unternehmensentwicklung“ angeboten. Weitere Vorhaben drehten sich um die Ausgliederung von Dienstleistungsfunktionen aus dem Unternehmen oder die Verlagerung (von Teilen) der Produktion an kostengünstigere Standorte.
Innovationen und neue Unternehmen
Gleichzeitig rückten verstärkt Innovationen und Neugründungen in den Fokus. Innovatives unternehmerisches Verhalten sei zum Erfolg bestimmenden, zum Schlüsselfaktor der Existenzsicherung geworden, hieß es beispielsweise im Geschäftsbericht 1988. Zu fürchten sei weniger die innovative Konkurrenz als der „Verlust an Leistungs- und Risikobereitschaft und Pioniergeist“.
Das Bundeswirtschafts- und das Bundesforschungsministerium hatten ein Beratungsprogramm "Innovationstransfer" aufgelegt, das das RKW umsetzte. Es ging beispielsweise um flexible Fertigungssysteme, um schneller auf Nachfrageveränderungen reagieren zu können oder um die Erneuerung der Fertigungstechnologien. Das RKW vermittelte Informationen, neuerdings auch über Datenbanken, beispielsweise für die Einführung von CAD/CAM-Systemen und forcierte die Bildung von Qualitätszirkeln. Veröffentlicht wurden verbesserte Planungs- und Diagnose-Methoden für die Investitionsplanung oder Abschätzung von Anwendungsgebieten künftiger Technologien.
Mikrotechnologie
Bei den neuen Technologien war Mikroelektronik in aller Munde. Die immer kleineren und dennoch leistungsstärkeren integrierten Systeme, die zudem billiger herzustellen waren, ermöglichten neue Anwendungen für größere Nutzerkreise. Eine Befragung des RKW ergab 1987, dass in Großbetrieben mit über 1.000 Mitarbeitenden 80 bis 100 Prozent mit EDV-Unterstützung arbeiteten. Damit einher gingen neue und gestiegene Qualifikationsanforderungen und erhöhter Schulungsbedarf. Als entscheidend für eine erfolgreiche Einführung sah das RKW das Gelingen der notwendigen Reorganisation: Die Chance zur Dezentralisierung, vor allem der Büroarbeit und Angestelltentätigkeit, stand einer stärkeren Abhängigkeit der Werker in der Produktion von zentraler über die Betriebsdatenerfassung gesteuerter Planung gegenüber. Personalentwicklung und Mitarbeiterführung rückten noch stärker in den Fokus.
Gründungswilligen, die vor allem im Bereich des produzierenden Gewerbes eine selbständige konkurrenzfähige Existenz aufbauen wollten, bot das RKW die „Versorgung mit notwendigen und nützlichen Informationen“ sowie problemorientierte Beratungsleistungen an.
Wissenstranfer: Information, Weiterbildung und Beratung
Etwa 60 bis 70 Forschungs- und Entwicklungsprojekte betreute das RKW jährlich. Deren Ergebnisse verbreitete der RKW-Verlag mit ca. 300 lieferbaren Titeln. 43.600 Exemplare von Broschüren, Merkblättern und Bücher setzte er 1983 ab. Bestseller in den 1980er Jahren waren die Führungsmappe und das fünfbändige Werk „PPS-Fachmann“ zu Grundlagen, Planung und Steuerung der Produktion.
Mit dem 33. Jahrgang wurden die Zeitschrift „Rationalisierung“ und die RKW-Kurznachrichten eingestellt, und es erschien stattdessen monatlich die Zeitung „Wirtschaft und Produktivität“ mit einer Auflage von rund 10.000 Exemplaren. Die Rationalisierungs-Gemeinschaft Bau hatte eine eigene Zeitschrift „rationeller bauen“ mit 80.000 Empfängern.
Etwa 36.000 Teilnehmende an Weiterbildungsveranstaltungen des RKW wurden gezählt. Waren es 1980 noch etwa 3.000 Unternehmensberatungen im Jahr, stieg diese Zahl bis Mitte der 1980er Jahre auf 5.000 jährlich, überwiegend in produzierenden Unternehmen. Drei Viertel der Beratungen nahmen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten in Anspruch. Nach dem RKW-Beratungsmodell wurden dafür 580 freie Beratungsunternehmen eingesetzt. Eine Evaluation 1982 ergab, dass 90 Prozent der Beratenen mit der Qualität der Vorschläge zufrieden waren. Themen waren vor allem Unternehmensführung sowie Finanz- und Rechnungswesen.
Ergänzend betrieb das RKW eine EG-weite Kooperations- und eine Innovationsbörse. Erstere vermittelte z. B. ausländische Produktionsstandorte, letztere Lizenzen, Patente und Innovationen. Dauerangebote waren zudem Informationsdienste wie der vierteljährliche Zeitschriften-Informationsdienst ZID mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren/Ausgabe, der Bücherdienst oder Literaturzusammenstellungen. 1987 kam noch RKWgrafiken dazu.
Aufgabenspektrum in neuer Dimension
1990er Jahre
Das RKW war schnell zur Stelle, als es darum ging, der DDR-Wirtschaft den Weg in die Marktwirtschaft zu ebnen. Keineswegs gab man sich Illusionen ob der Dimension der Aufgabe hin, sah auch die enormen Verwerfungen kommen, die es auf den Absatz- und Arbeitsmärkten geben würde. Aber die einmalige Chance der Wiedervereinigung sei alle Anstrengungen wert, schrieb die Geschäftsführung. Trotzdem durften der EG-Binnenmarkt, Osteuropa, Asien und die Innovationsfähigkeit des Mittelstands nicht aus dem Blick geraten.
Parallel reorganisierte der neue Vorsitzende Otmar Franz das Kuratorium, das seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr aktiv war. Es versammelt bis heute hochrangige Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Unternehmen und befasste sich als Beratungsgremium für das RKW auf seiner jährlichen Sitzung mit unterschiedlichen Aspekten der Produktivitätssteigerung des Mittelstands, in den 1990er Jahren vor allem mit den Folgen des Endes der europäischen Teilung.
Produktivität zwischen Ostsee und Erzgebirge
Für das RKW gab es Anknüpfungspunkte, um schnell bei der wirtschaftlichen Gesundung helfen zu können. Einige RKW-Mitglieder hatten enge Geschäftsbeziehungen in die DDR. Diese Kontakte waren hilfreich, als es nach dem Fall der Mauer darum ging, die ostdeutsche und die osteuropäische Wirtschaft in die Marktwirtschaft zu integrieren. Dazu kam als Glücksfall, dass der RKW-Geschäftsführer Hubert Borns persönlich und familiär enge Verbindungen in die DDR hatte und sich in den ersten Monaten sehr stark engagierte, so dass schon am 27. Februar 1990 ein RKW-Vorläufer-Verein in Magdeburg gegründet werden konnte. Im Juli eröffnete das RKW Geschäftsstellen in Dresden, Erfurt, Magdeburg, Potsdam und Rostock. 1991 entstanden in allen neuen Ländern RKW-Landesgruppen, die erste im Sachsen.
Sehr schnell wurde ein vom RKW beantragtes Beratungsprogramm genehmigt, um privatisierten oder neu gegründeten Unternehmen zu helfen. Übernahmen anfangs westdeutsche RKW-Landesgruppen Patenschaften für die neuen Länder und führten die Beratungen durch, wurden schnell zusätzliche Berater aus den neuen Bundesländern geschult. Die Absatzmöglichkeiten für Ost-Produkte standen im Zentrum eines weiteren Projekts zum Produktmarketing und Qualitätsmanagement. Zur Verbesserung der oft gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen in den Betrieben beteiligte sich das RKW an Projekten, die das nötige Wissen zur Arbeits- und Gesundheitsschutz vermittelten und dafür warben. Andere Themen wie Unternehmensführung, Finanz- und Rechnungswesen, betriebliche Personalpolitik oder der EG-Binnenmarkt wurde speziell für die neuen Bundesländer aufbereitet.
Mittler zwischen Ost und West
Seit den Ostverträgen der 1970er Jahre hatte sich der Handel mit den Ostblockstaaten intensiviert. Das RKW unterstützte bei der Verlagerung von Teilen der Produktion nach Osten zur Kosteneinsparung und förderte das Engagement zur Sicherung eines im Westen akzeptierten Qualitätsniveaus. Über die internationalen Organisationen CECIOS und EANPC bestanden traditionell Kontakte in den Osten, beispielsweise zu Organisationen in der Tschechoslowakei und in Ungarn.
Die neue Fachabteilung Internationale Beziehungen widmete sich der Transformation der Volkswirtschaften ehemaliger Comecon-Staaten. Sie half Unternehmenskooperationen anzubahnen, beispielsweise in grenznahen Wirtschaftsräumen zu Polen oder Tschechien, schulte Berater und Multiplikatoren und bot Weiterbildungen an. Zeitweilig unterhielt das RKW Bayern eine Geschäftsstelle in Budapest. Ähnlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg sollten Manager in Studienaufenthalten westliche Innovations- und Managementmethoden kennen lernen, beispielsweise wickelte das RKW für die Weltbank und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ GmbH solche Studienprogramm mit Kasachstan und Moldawien ab.
Das „Graviationszentrum des ökonomischen Handelns“ sah das RKW im Geschäftsbericht 1993 aber noch weiter im Osten, vor allem in Japan und China. Man sei bemüht, die Entwicklungen in dieser Region zu erfassen, um sie der Wirtschaft zugänglich zu machen und sei behilflich dabei, auf dem „großen pazifischen Markt mittel- und langfristig Fuß zu fassen“.
Neue Technologien und ein geänderter Rationalisierungsbegriff
Der technologische Wandel nahm weiter Fahrt auf. CNC-Steuerungen und CAD/CAM, die in einem RKW-Bericht mit dem „hohen C“ der Oper verglichen wurden, Roboter- und Sensortechnik, Gen- und Biotechnologie, Verbundwerkstoffe, Recyclingverfahren, Telekommunikation und Mikroelektronik waren Themen, die das RKW vor allem in Hinblick auf die Auswirkungen auf die Beschäftigten untersuchte. Denn diese Neuen Technologien zeichneten sich dadurch aus, dass sie Einsparungen an Material, Energie, Arbeit und Kapital ermöglichten. Rationalisierung bekam wieder den Beigeschmack des „Wegrationalisierens“, der schon in den 1920er Jahren für ein schlechtes Image gesorgt hatte. Das RKW reagierte darauf.
Im Programm für die erste Hälfte der 90er Jahre hieß es: „Der Rationalisierungsbegriff und die Rationalisierungsmuster haben sich geändert.“ Rationalisieren definierte das RKW jetzt als
Vernünftige Gestaltung der marktorientierten Leistungsprozesse bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und schonendem Umgang mit der Natur.
Weiter hieß es: Die Rahmenbedingungen hätten sich verändert, die tayloristische Rationalisierung werde „zunehmend überlagert durch Rationalisierungsformen, die gekennzeichnet sind durch kommunikations- und informationstechnische Vernetzung von Abläufen, Abflachung der Hierarchien und Schaffung von relativ selbständigen Organisationseinheiten.“ Der Schwerpunkt müsse sich angesichts dieser Entwicklung, knapper Ressourcen und einer turbulenten Umwelt zum strategischen Management verschieben.
Toyota statt Ford
Besichtigen ließ sich ein entsprechendes System in Japan. Waren die Urväter des RKW zur Highland Park Ford Plant in Detroit gepilgert, reisten RKWler, Gewerkschaften und Unternehmer in den 1990er Jahren zu Toyota. Elemente des Toyota-Systems wie Vermeiden von Verschwendung, Fließprinzip und Standardisierung der Prozesse hatte das RKW stets betont. Entscheidend war aber der Perspektivenwechsel von einer Produktion nach Prognosen, und damit eventuell auf Lager, hin zu einer vom Kundenauftrag getriebenen Produktion mit kürzeren Durchlaufzeiten. Die genaue Planung, die das RKW über Jahre propagiert hatte, barg jetzt die Gefahr, nicht schnell genug auf Veränderungen reagieren zu können. Schon 1983 hatte es selbstkritische Kommentare zum Thema Planung gegeben: „Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum und aus Irrtümern lernt man bekanntlich.“
Statt von der Produktionstechnik auszugehen, stand nun die Gesamtleistung für den Kunden im Fokus. Re-Engineering, Lean Management, Total Quality waren die Schlagworte der Betriebswirtschaft und -technik in diesem Jahrzehnt. Null-Fehler-Programme bezogen die Beschäftigten mit ein, deren Qualifikation nun in den Blick geriet. Hatte die traditionelle tayloristische Massenproduktion Kosten nicht zuletzt dadurch reduziert, dass An- und Ungelernte beschäftigt wurden, verlangten die neuen Technologien und Abläufe in der Produktion nach Fachkräften. Eine RKW-Studie belegte beispielsweise, dass bei der Bedienung von CNC-Maschinen zur Hälfte Fachkräfte eingesetzt würden, müssten die Maschinen in der Werkstatt programmiert werden, seien sogar in 78 Prozent der Fälle Fachkräfte im Einsatz.
In Deutschland gerieten die Automobilzulieferer angesichts der neuen Produktionsmethoden stark unter Druck. Das RKW untersuchte die neuen Anforderungen und etablierte mit MOBIL zuerst in Hessen eine Initiative zur Unterstützung der mittelständischen Zulieferer, andere Bundesländer folgten. Bis heute sind Automobilzulieferer ein wichtiges Thema für die RKW-Landesorganisationen.
Fachkräftepotenziale: Ältere Beschäftigte und Frauen
Ältere Beschäftigte und eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung waren keine neuen Themen für das RKW, aber in den 1990er Jahren rückten sie nicht zuletzt wegen der starken Veränderungen in der Produktion und dem Einzug der EDV massiv nach vorne. Der 1995 gegründete Hessische Arbeitskreis Personalpflege, Gesundheit im Betrieb widmete sich auch dieser Zielgruppe.
Den Älteren wurde genauso wie den Frauen pauschal unterstellt, sie kämen mit den Anforderungen durch die Informations- und Kommunikationstechnologie nicht zurecht. Eine RKW-Untersuchung konnte nachweisen, dass dies für Frauen in Bürotätigkeiten nicht zutraf. Im Gegenteil: Sie würden von sich aus Weiterbildung anstreben und diese sogar selbst organisieren. Beklagt wurde auch vom RKW, dass Frauen in Führungspositionen nach wie vor selten seien. 1994 gab es immerhin erstmals eine Frau unter den Führungskräften des RKW: Bettina Ardelt als Geschäftsführerin des RKW Hessen.
Neu erfunden: Das RKW um die Jahrtausendwende
2000er Jahre
Die mittelständische Wirtschaft im wiedervereinigten Deutschland ist so vielfältig und verschieden wie die Landschaften und Städte. Selbst innerhalb derselben Branche können Anforderungen unterschiedlich sein, je nach Größe und Standort eines Unternehmens. Eine „Sammelstelle“ für Rationalisierungswissen, wie es das RKW seit 80 Jahren war, konnte diese Bedarfe nicht mehr befriedigen. Darum war es Zeit für eine gründliche Restrukturierung des RKW.
Neue Satzung öffnet neue Wege
Die Weichen für die Restrukturierung wurden mit einer neuen Satzung im Sommer 1998 gestellt. Am Zweck des Vereins – der Förderung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Rationalisierungs- und Innovationsmöglichkeiten für Wirtschaftsunternehmen – änderte sich nichts. Aber der Zusatz wurde gestrichen, dass das RKW nur in Ausnahmefällen entsprechende Arbeiten selbst durchführen sollte. Damit änderte sich die Arbeitsweise vor allem der Zentrale: Viele Jahre hatten die Beiräte und andere Vorschläge für Projekte eingebracht, die Fachabteilungen hatten dafür geeignete Arbeitsträger gesucht und beauftragt. Mit dem gleichem Personalstamm die Aufgaben jetzt selbst zu bearbeiten, verringerte die Zahl der gleichzeitig laufenden Projekte zunächst einmal erheblich. Sie bekamen aber mit der Zeit ein immer größeres Volumen und längere Laufzeiten, so dass die RKW-Mitarbeitenden ihre fachliche Expertise deutlich ausbauten.
Dialog mit den Sozialpartnern
Neu in den Paragraf 2 – Zweck des Vereins – wurde der Dialog mit den Sozialpartnern aufgenommen. Der hatte zwar seit der Wiedergründung stets stattgefunden, aber jetzt wurde er als Aufgabe des RKW verankert. Dieses war bedeutend, denn, da das RKW nun keine Mittelvergabestelle mehr für gewerkschaftliche Projektideen war, bestand die Gefahr, dass die Arbeitnehmerseite das Interesse am RKW verlieren könnte. Der konsensorientierte Austausch der Sozialpartner wird aber von allen Beteiligten als eines der Alleinstellungsmerkmale des RKW angesehen und wertgeschätzt.
Landesgruppen
Dritte Änderung war, dass sich die Landesgruppen verselbständigen konnten. Die rechtlichen Folgen und die Anforderungen an die selbständigen gemeinnützigen RKW-Vereine wurden detailliert festgelegt. Letztlich zog das RKW mit dieser Entwicklung die Konsequenzen aus einer schon Jahrzehnte anhaltenden Entwicklung: Die damals noch bundesweit rund 8.000 Mitglieder wurden vor Ort betreut und sahen in der Landesgruppe ihre Ansprechpartner.
Die Landesgeschäftsführer, obwohl formal vom RKW-Verein angestellt, mussten sich an der jeweiligen Landes-Wirtschaftspolitik orientieren und gegenüber ihrem Landesvorstand Rechenschaft ablegen. Und schließlich ermöglichte diese Regelung das Auslagern des Beratungsgeschäfts in GmbH-Töchter der Landesvereine. Damit waren auch die Geldströme zwischen geförderter Bundesgeschäftsstelle des gemeinnützigen Vereins und dem Geschäftsbetrieb der Landesgruppen sauber getrennt. Bis 2000 hatten sich alle RKW-Landesgruppen verselbständigt. Den Zusammenhalt stellt die Geschäftsführerkonferenz sicher, die 2002 etabliert wurde bei einer erneuten Satzungsänderung zur Anpassung an die neue Struktur. Zudem sind die jeweiligen Vorsitzenden der Landes-Vereine Mitglieder des Gesamtvorstands.
Aus der Bundesgeschäftsstelle wurde das RKW Kompetenzzentrum, das nun als einziger Teil des RKW e. V. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie institutionell gefördert wird. Das Netzwerk sichert die bundesweite Präsenz und den direkten Zugang zu den mittelständischen Unternehmen.
Handel und Dienstleistungen
Im Mittelstand hatte und hat das verarbeitende Gewerbe – die traditionelle Zielgruppe des RKW – eine starke Position, aber immer mehr drängten sich Fragen auf, die mittelständische Dienstleistungsunternehmen oder Produzenten mit ihrem Dienstleistungsangebot bewegten. Vor allem zur rasche Computerisierung des gesamten Geschäfts, zu E-Business und dem wachsenden Verkauf über das Internet suchten sie Antworten.
Das RKW, zu dem in der Weimarer Zeit einmal die Forschungsstelle für den Handel in Berlin und die 1951 gegründete Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels (heute EHI Retail Institute GmbH) gehört hatte, suchte wieder den Kontakt dorthin und etablierte einen Fachbeirat Handel und Dienstleistungen. Er engagierte sich beim Aufbau des bis heute bestehenden Netzwerks Elektronischer Geschäftsverkehr und besonders für das Branchenzentrum ECC. Zusammen mit der Rationalisierungs-Gemeinschaft Bau bildete der Beirat Handel und Dienstleistungen für rund zehn Jahre einen Branchenschwerpunkt im RKW.
Neben dem Verkaufen über das Internet befasste sich der Bereich Handel auch mit innovativen Ideen für den Verkauf, beispielsweise den Einsatz von Tablets in der Beratung. Konkret ging es um Unterhaltungselektronik. Keine Fachkraft im Verkauf könnte alle technischen Details eines Geräts im Kopf haben, so die Ausgangsthese. Wären die Informationen auf einem Tablet abrufbar, ließe sich dennoch kompetent auf Kundenfragen antworten.
Später nahm der Branchenschwerpunkt die ältere Kundschaft in den Blick, die oft finanzkräftig ist und besondere Ansprüche stellt an Komfort und Service. Das gilt sowohl für das Bauen und Wohnen wie auch für Einkaufen und Reisen. Barrierefreiheit der Produkte, Services und der jeweiligen Räumlichkeiten sind dafür entscheidende Faktoren. "Design für alle" und "Wirtschaftsfaktor Alter" hießen die entsprechenden Vorhaben.
New Economy - und was danach kommt
Innovationen waren seit den 1980er Jahren zu einem „Zauberwort“ für die RKW-Unterstützung des Mittelstands geworden. Neue Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie tragen zur Erneuerung der Wirtschaft bei und schaffen neue Arbeitsplätze. Daher unterstützte das RKW junge Unternehmen in der Nachgründungsphase. Um die Jahrtausendwende blähte sich gerade die „New Economy“ Blase kräftig auf und interessierte die Frage, was denn diese jungen Technologieunternehmen anders machten.
Das RKW beteiligte sich an einem Forschungsprojekt mit einem Arbeitskreis „Die Arbeitsbeziehungen in schnell wachsenden Unternehmen“. Das „Experimentierfeld“ umfasste, was heute als typisch für Startups gilt: Hohe Flexibilität, individuelle Lösungen und geringe Akzeptanz üblicher sozialpartnerschaftlicher Modelle. Die Wachstumsstrategien der schnell wachsenden jungen Unternehmen untersuchte ein weiterer Arbeitskreis. Damit knüpfte das RKW an eine erfolgreiche Publikation der 1990er Jahre an, in der es um typische Wachstumsschwellen und die passenden organisatorischen Antworten darauf ging.
Die Blase platzte und viele der hochgejazzten Aktiengesellschaften am Neuen Markt verschwanden in der Versenkung. Realistischere Einschätzungen der Geschäftsmöglichkeiten im Internet griffen Platz – und beschäftigen das RKW weiterhin. Im Projekt „Wettbewerbsfähig in der Digitalisierung“ geht es genau darum: Strukturiert die Potenziale heben, die die Digitalisierung für das Geschäft birgt.
- © Trixieliko / Pixabay – pixabay_2341083_Trixieliko.jpg
Auch interessant
Der DGB Landesbezirk Bayern
Seit 70 Jahren ist der DGB Landesbezirk Bayern bereits Mitglied des RKW Bayern e.V. und im Vorstand des RKW Bayern e.V. vertreten. Beim Mitglieder- un…
Ein Tag für unsere RKW-Mitglieder
Beim RKW Mitglieder- und Kundentag am 22. Oktober 2024 werden im Rahmen der Mitgliederversammlung langjährige Mitglieder des RKW Bayern e.V. geehrt.
Stärkung der Einkaufsabteilung durch gezielte Weiterbildung
Verbessern Sie mit den Einkaufsschulungen des RKW Bayern Ihre Kompetenzen als Einkäuferin und Einkäufer und heben Sie Ihre Verhandlungsfähigkeiten auf…